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Ehemaligen Verwaltungsgebäude der DAG - Heute Rathaus

Unter dem Namen Geretsried war bis vor 1933 nur die kleine Ansiedlung mit wenigen Bauernhöfen rund um die Nikolauskapelle und das Gasthaus Geiger an der heutigen Bundesstraße 11 bekannt.


Das heutige Rathaus wurde 1939 erbaut und diente bis Kriegsende als Verwaltungsgebäude der seit 1938 im Aufbau befindlichen Rüstungswerke der Dynamit Aktiengesellschaft (DAG).

Das Verwaltungsgebäude wurde als zweigeschossiger putzgegliederter Zweiflügelbau in barockisierenden Heimatstilformen mit Flachsatteldächern und Eingangsturm errichtet.


Wie kaum ein anderes Gebäude in Geretsried versinnbildlicht das Rathaus den segensreichen Wandel einer für Krieg und Zerstörung geschaffenen Einrichtung zu einem Ort des friedlichen Für- und Miteinanders.


Abbildung 1 Foto: Archiv Schweiger Icking

Wikipedia:

Paul Wenz studierte Architektur in München und Berlin und wurde 1901 in Berlin mit einer architekturgeschichtlichen Dissertation über Filippo Brunelleschi promoviert. Seit 1903 besaß er ein eigenes Architekturbüro. Wenz heiratete 1913 die Künstlerin Else Viëtor, sie hatten drei Kinder. 1913 wohnten sie in Berlin, seit 1916 in Icking. 

Wenz erhielt Titel wie Regierungsbaumeister und Landesbaurat. Er plante u. a. das Verwaltungsgebäude der Sprengstofffabrik in Geretsried und die zugehörigen Ingenieurshäuser. 

1933 trat er der NSDAP und der Sturmabteilung bei, in der SA erreichte er den Grad eines SA-Truppführers (Feldwebel). 1944 wurde er in Vertretung Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus der Familie Wenz in Icking von der US-Army beschlagnahmt. Paul Wenz wurde bis Mitte 1946 im Internierungslager Moosburg inhaftiert, Else Wenz-Viëtor im Lager Stephanskirchen. Beide wurden entnazifiziert. Die Gemeinde Icking benannte 1956 eine Straße nach ihren berühmten Einwohnern. 2018 wurde beim Straßenschild eine erklärende historische Tafel angebracht, die auf die nationalsozialistische Vergangenheit der Mitbürger hinweist. 



Während des Krieges war das Verwaltungsgebäude mit einem Tarnanstrich versehen, um von feindlichen Flugzeugen nicht so leicht gesehen zu werden.

Im Keller des Gebäudes war ein Luftschutzbunker mit heute noch erhaltenen schweren Metalltüren.

Nach der kampflosen Übergabe des Rüstungswerks am XXX an die US-Armee quartierten sich dort bis zum Frühjahr 1946 amerikanische Soldaten ein. Sie blieben bis zum Frühjahr 1946.

Mit dem Zug kam am 7. April 1946 die erste größere Gruppe von 554 Sudetendeutschen aus Graslitz (Kraslice) an der heutigen tschechisch-sächsischen Grenze an. Sie drängten sich im jenem früheren Verwaltungsgebäude der Dynamit AG, das heute das Geretsrieder Rathaus ist, sowie in den Baracken des Lagers Buchbergs.

Im Juli 1946 erreichte der zweite Transport von Heimatvertriebenen das Lager Buchberg auf der heutigen Böhmwiese. Weil die Baracken überfüllt waren, wurden 137 Menschen aus Tachau im Egerland in dem noch mit Tarnanstrich angemalten Verwaltungsgebäude untergebracht – im Volksmund fortan „Steinhaus“ genannt. In der Anfangszeit mussten sich mehrere Familien einen Raum teilen.


Heizung:

Die ursprünglich von den mittlerweile stillgelegten bzw. demontierten Heizkraftwerken gespeiste Zentralheizungsanlage war außer Betrieb.

 

Deshalb wurden Öfen in den Zimmern aufgestellt und deren Kaminrohre durch Fenster und Wanddurchbrüche ins Freie geführt. Das Holzbarackenlager auf der anderen Seite

der Bundesstraße 11 war zu diesem Zeitpunkt überfüllt.


Später wurden im Keller zwei riesige Brennöfen eingebaut, mit denen das Rathaus beheizt wurde. In einem Raum war das große Kokslager. Vor dort wurde der Koks in eine Lore geschaufelt, über eine kleine Rampe hinunter zu den Öfen gefahren und hinein geschaufelt werden. Ständig musste nachgelegt werden, damit die Öfen nicht ausgingen.

 

Zum 70. Jahrestag der Ankunft der ersten Vertriebenen passt diese Aufnahme des Geretsrieder Rathauses. Sie entstand um das Jahr 1951 und stammt aus der Fotosammlung von Walter Holzer vom Arbeitskreis Historisches Geretsried (AHG). Wie kaum ein anderes Gebäude in Geretsried, so schreibt der AHG in seinem Begleitheft zum Weg der Geschichte, „versinnbildlicht das Rathaus den segensreichen Wandel einer für Krieg und Zerstörung geschaffenen Einrichtung zu einem Ort des friedlichen Für- und Miteinanders.“

 

Trotz Überbelegung begannen bereits Ende 1946 in verschiedenen Räumen des Gebäudes unterschiedliche öffentliche Aktivitäten. Im heutigen Trauungszimmer gab es sonntags die ersten katholischen Gottesdienste, die später in die heutige Eingangshalle des Rathauses verlegt wurden und dort bis 1950 stattfanden. Einmal pro Woche wurde im selben Raum Fleisch verkauft.

Im Trauungszimmer hängt noch heute der große originale Kristalllüster von der Decke.

Auf dem Dachboden fanden der erste Silvesterball sowie andere Tanz- und Theaterveranstaltungen statt. Der Lehrer Karl Kugler sen. hielt dort seine Singstunden ab, sein Sohn Karl bastelte im Keller mit einer Jugendgruppe Segelflugmodelle. Im heutigen kleinen Sitzungssaal war ab 1947 der erste Caritas-Kindergarten untergebracht. Im nördlichen Garagenanbau (heute Ratsstuben) etablierten sich im Herbst 1948 das Obst- und Gemüsegeschäft Franz Tobisch und der Lebensmittelladen Felix Schwab.

 

Mit der Gemeindegründung am 1. April 1950 wurde das „Steinhaus“ als Rathaus von Geretsried ausgewählt, aber erst am 10. Juli 1950 konnte die neue Verwaltung mit der Gemeindekanzlei den ersten Raum beziehen. Am 1. Oktober 1950 folgte das Standesamt, gegen Ende des gleichen Jahres die Volksbücherei. Die war damals noch in den drei Büros, wo heute die Bautechnik und der Tiefbau untergebracht sind, und nur an zwei Abenden und am Samstag geöffnet. Bis die Bücherei dann in den Konheiser Pavillon umzog.

 

Die völlige Belegung durch die Gemeindeverwaltung dauerte noch mehrere Jahre. In dieser Zeit beherbergte dieses Gebäude vorübergehend die Polizeistation, das Postamt, eine Zahnarztpraxis, die Verwaltung der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA), ein Architekturbüro u.a.m.

 

Seit 1980 war im Dachgeschoss das Geretsrieder Heimatmuseum untergebracht. Nach dem Auszug der Stadtwerke aus dem Nachbargebäude des Rathauses beschloss 2008 der Stadtrat, hier das neue Museum der Stadt Geretsried zu etablieren. Das Gebäude stammt aus der Zeit um 1938, in der es als „Ingenieurshaus“ der Munitionsfabrik diente. Später wurde es als Verwaltungsgebäude der Polizei und der Stadtwerke genutzt. Seit Herbst 2013 ist dort, in der Graslitzer Straße 1 das Geretsrieder Heimatmuseum untergebracht.

 

 

Autoren: Werner Sebb und Helmut Hahn, Foto: Stadtarchiv Geretsried

Sponsor: Eghalanda Gmoi z’Geretsried, Nächste Stationen:

Ein Blick in den Glockenturm: Eine Uhr aus dem Schwarzwald gibt den Takt vor. © Foto: Sabine Hermsdorf-Hiss

In der Mitte des Rathausgebäudes befindet sich ein Turm mit einer Uhr über einem eisernen Schriftzug „Rathaus“. Im Dachgeschoss des Turmbaus befindet sich die Uhranlage mit zwei Bronzeglocken. Sie läuten mit einem Viertel- und Stundenschlag. Die größere Glocke (490 mm Durchmesser, etwa 70 kg) schlägt im Ton as, die etwas kleinere Glocke (390 mm Durchmesser, 38 kg) im Ton c. Sie wird von der Firma Frühwirt aus Geretsried gewartet und per Funk gesteuert.


Im Jahr 1961 wurde die Turmuhr in eine vollautomatische Anlage von der Firma „Turmuhren und Glockentechnik Schneider in Schonach“ umgebaut. Das Unternehmen besteht seit 1862 in der Gemeinde im Schwarzwald und konstruierte unter anderem eine Turmuhr in der Stadt Parana in Argentinien, die auf elektrischem Wege 120 weitere Uhren im Stadtgebiet steuerte, sowie ein Glockenspiel für eine Basilika im mexikanischen Guadalupe. 

Eingang des Geretsrieder Rathauses

 

Rundes Sandsteinrelief: Nach dem Krieg wurde in der Mitte ein Hakenkreuz ausgestemmt, der Zeitpunkt dieses Vorganges ist nicht bekannt.

 

Darstellung in dem Rondell:
Hinten: Himmelszelt, davor die Alpen mit dem (entfernten) Hakenkreuz; Vorberge mit Mischwald links, rechts Nadelhölzer; in der Mitte unten: zwei Flöße auf der Isar.

 

Der Mittelstein im Türbogen zeigt einen Waldarbeiter mit einem Baumstamm auf der rechten Schulter und einer Axt in der linken Hand.

 

Hinweis: Von Zeitzeugen war zu erfahren, dass an der Rückwand der Eingangshalle noch nach dem Krieg eine Hitler-Plakette zu sehen war. Als 1946 hier katholische Gottesdienste gefeiert wurden, wurde diese Hitler-Darstellung mit einem Tuch verdeckt. Wann diese Plakette entfernt wurde, ist ebenfalls unbekannt.

 

Die beiden Fotos befinden sich im Archiv der Stadt Geretsried.

Mit der Gemeindeplanung hatte die oberste Baubehörde in Bayern 1949 den Architekten Fritz Noppes beauftragt. Er orientierte sich an der Struktur der früheren Sprengstofffabriken. Daraus entwickelten sich die drei Ortszentren Geretsrieds in Gartenberg, um den Karl-Lederer-Platz und Stein im Süden

 

Inzwischen hat sich Geretsried mit 26 000 Einwohnern zur bevölkerungsreichsten Kommune im Landkreis entwickelt. Kaum zwanzig Jahre nach der Gemeindegründung wurde der Ort zur Stadt erhoben.

 

Dort wo heute das Restaurant der Ratsstuben ist, waren früher die Garagen und die Werkstatt Gabriele Klier Opas.

 

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der DSC, heute St. Ursula

In dem Gebäude im Hintergrund war die Verwaltung der Deutschen Sprengchemie (DSC) untergebracht. Unmittelbar nach Kriegsende diente es vorübergehend als Notlazarett für Überlebende des Todesmarsches aus dem KZ Dachau. Bis Ende 1947 war es Unterkunft für USSoldaten, die vom gegenüberliegenden Pförtnerhaus (heute Herglotz - Haus) Tag und Nacht das Eingangstor in das ehemalige Werksgelände der DSC bewachten.

Nach Abzug der Das noch nicht aufgestockte Gebäude um 1955 Amerikaner wurde das technisch gut ausgestattete Gebäude zum wichtigsten Versorgungsort im Geretsrieder Süden mit folgenden elf Einrichtungen: Katholisches Pfarramt, Arztpraxis Dr. Balling, Friseursalon Grieser, Schreibwaren Sturtzel, Drogerie Meier, Textilgeschäft Schmid, Zahnarzt Alois Unflath, der Kindergarten, die Volksbank, das Postamt und der Konsum-Lebensmittelladen.

Sanitäre Einrichtungen im Keller des Gebäudes wurden von den Sportlern des TUS Geretsried, die in der Nachkriegszeit auf dem ersten Sportplatz an der Tattenkofener Straße spielten, zum Umkleiden und Duschen genutzt. Anfang der 60-iger Jahre gelangte das Gebäude in Privatbesitz und wurde zu einem Pflegeheim umgebaut. Mitte der 70-iger Jahre ist es um zwei Etagen aufgestockt worden.


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